Mittwoch, 4. Februar 2009

Noch einmal: Das goldene Kalb - eine aktualisierte Version

Liebe Gemeinde,

die Bibel stellt uns viele Szenen vor Augen. Eine der eindrucksvollsten ist sicherlich der „Tanz um das goldene Kalb“. Wir stellen uns vor, dass eine wildbewegte, ekstatisch tanzende Volksmenge um ein goldenes Standbild in der Mitte herumwirbelt.

Das goldene Kalb ist eigentlich ein Jungstier- Symbol für Kraft und Fruchtbarkeit.
Man hat den Stier aus Gold gefertigt. Er ist aus dem gemacht, was dieses Volk aus eigenem Besitz an Gold und Schmuck geopfert hat. Das Volk hat etwas von sich weggegeben, um es zugleich wieder in seine Mitte zu stellen, um selbst zu dem zu werden, was es vor sich hin gestellt hat: kraftvoll, mächtig und fruchtbar. So stellt es sich Wachstum vor.

Aber je lauter sie rufen, je ekstatischer sie herumwirbeln, desto weniger erreichen sie, was sie erreichen wollen. Sie werden nicht kraftvoll und fruchtbar. Sie werden eher müde und schlapp. Zu guter letzt wird eine große Depression über sie kommen, aus ihnen selbst hervorbrechen, denn die Lebendigkeit, die sie sich erwünschten, kommt nun einmal nicht aus Totem – auch wenn man es golden anstreicht oder es selbst aus purem Gold herstellt.

II

Zur selben Zeit befindet sich Moses auf dem Berg, in der Nähe Gottes, um Lebensregeln in steinerne Tafeln zu schlagen. Er wird sie später zerstören, als er das vergoldete, betörte Volk sieht. Wir werden nie wirklich wissen, was zuerst in Stein geschlagen war.

Dann schlägt Moses ein 2. Gesetz in den Stein. Es soll das 1. wiederholen. Aber eben: es ist nur eine Wiederholung und nicht das Original. Es ist vermutlich ein Gesetz, das auf solche vergoldeten Menschen, die lieber aus 2. Hand leben, besser gemünzt ist: Du sollst nicht begehren, nicht neiden – und alles, was daraus folgt: lügen, stehlen, töten, ehebrechen, Autoritäten verachten, Feiertage umgehen, Gott abbilden und Götter fabrizieren, überhaupt nach anderen Göttern schauen, Götter machen, wo keine sind. Alles das, sollst du nicht tun!

Auch dieses Gesetz ist in Stein gehauen, und es wird den Menschen – als wären sie selber Stein – einzumeißeln sein. Ihr Herzensgesetz ist es aber nicht. Aus dem Herzen spricht ihnen dieses Gesetz nicht. Es bleibt äußerlich.

Ihr tatsächliches Herzensgesetz ist vielmehr die Begierde und das verleitet sie zum „Machen und Haben“. Vor allem wollen sie „haben“, am Ende sogar, ohne zu „machen“, ohne es sich zu verdienen. Das goldene Geld soll es machen. Das goldene Kalb soll Zinsen tragen, und eine wilde außer Rand und Band gerissene Menge feuert das Kapital im zuckenden Tanz an, immer im Kreis herum, bis alles und alle schwindelnde Höhen erreichen. Bis alles und alle abstürzen in die tiefste Tiefe.

Das geschieht, wenn das Herz langsam aber stetig zu Stein wird. Wenn es steinern und immer steiniger wird. Die von außen eingehauenen Gesetze erreichen das Innere nicht mehr – auch wenn sie gut gemeint sind und das Schlimmste verhüten wollen. Innen treibt die Menschen ein anderes Gesetz. Sie begehren doch und stehlen und morden und lügen. Ihr Symbol steht in der Mitte: eine goldenes Kalb.

Heute sind es diese goldene Kälber: Derivate, Schuldverschreibungen, Leerverkäufe, Wetten auf Wetten, Spekulationen, Erwartungen, Renditen.
Man muss gar nichts tun. Nur tanzen

Und wer soll es bezahlen? Wer bezahlt am Ende die Rechnung?

Sie alle werden es bezahlen. Die einen mehr, die anderen weniger. Die Cleversten mästen schon das nächste Kalb im Stall. Sie warten bis die Gelegenheit günstig ist, es hinauszuführen, um es wieder in die Mitte der Menge zu stellen.

Solange ihre Herzen aus Stein bleiben – vom Gesetz bestenfalls nur angekratzt – wird sich am Spiel nichts ändern.


III

Jahrhunderte später verkündet ein Prophet (Ezechiel): Gott will euch ein Herz aus Fleisch geben.
Und ein anderer (Jeremia) sagt: Ich, GOTT, will euch in dieses Herz ein Gesetz hineinschreiben. Nicht auf die Oberfläche. Hinein.

Ihr werdet erkennen,- sagt dieses Gesetz. Aber „erkennen“ ist in der hebräischen Sprache zugleich „lieben“. Lieben ist ein Wille. Das endlich ist ihr tiefstes und wahrstes Herzensgesetz – neu entdeckt und formuliert. Am Begehren ändert sich nichts. Das bleibt. Aber das fleischerne Herz ist Begehren u n d es ist Erkennen zugleich. „Erkennen“ aber ist „lieben“.
Lügen, stehlen, töten und morden, ehebrechen, Respekt verlieren, Feiertage missachten, Götter fabrizieren – alles hat ein Ende. Ohne steinernes Gesetz. Wenn sie nur ihrem Herzensgesetz wirklich folgen.

Vielleicht stand ja ehedem nur e i n Wort auf den ersten Tafeln des Moses: Lieben! Oder Erkennen! Das Grundwort des Lebens und des ganzen Kosmos, für das die Menschen nur noch nicht reif waren oder noch immer nicht reif sind. Es muss nur ins Herz geschrieben sein und nicht auf steinerne Tafeln.

AMEN

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