Sonntag, 22. Februar 2009

Verwandlungsgeschichte einer Seele - PETRUS

PETRUS - Geschichte einer Seele Lukas 5,1ff, Matthäus 14,22ff, Lukas 22 , 54ff, Joh. 21,15ff

Liebe Gemeinde,

in der vorigen Glutpredigt haben wir uns der Bekehrung des Petrus zugewandt. Bei dem Wort „Bekehrung“ könnte man denken, dass damit so etwas wie eine Kehre zurück, eine Kehre zum Anfang aller Anfänge gemeint sei. Jetzt, in diesem Augenblick beginnt das Neue. Genauso haben wir auch die Bekehrung des Petrus im Zusammenhang mit seinem großen Fischzug verstanden. Petrus wird im selben Augenblick zum Jünger, d.h. zum Schüler und Nachfolger.

Dennoch ist Bekehrung nichts Einmaliges. Gewiss, es kann einmal anfangen, aber dann wird daraus ein Weg. Mit der Bekehrung ist es wie mit einer Spirale: sie führt tiefer und tiefer.

Petrus ist ein stolzer Mann. Ein Fachmann, der sein Handwerk versteht. Er ist auf Erfolg programmiert – jedenfalls nach außen hin.
Als er mit Jesus in Berührung kommt, kommt er zugleich mit seiner Seele, mit seiner tiefsten Tiefe in Berührung.

Das Wort „Seele“ hängt etymologisch mit dem Wort „See“ zusammen. Zum See gehörig.
Genau dahin schickt Jesus ihn nun ja auch: hinaus auf den See, wo er tief ist. Und Petrus fängt dort, in der Tiefe seiner Seele, Fische, von denen der Fachmann, der Fischer, nicht geahnt hat, dass sie überhaupt da sein könnten. Mit einem Schlag erkennt Petrus, dass sein nur äußerlicher Lebensaufbau eine Illusion ist. Er, der genau in dieser Illusion gefangen ist, sieht sich als Sünder.

Alles ist Ahnung.
Petrus ahnt wohl etwas von dem wahren Gott. Er ahnt etwas von den wahren Möglichkeiten des Lebens, aber er wünscht sich trotzdem den wahrhaftigen Jesus fort, weil die Umbruchs-Berührung so weh tut. Jesus aber verspricht ihm Wachstum. Wenn Petrus nur sein Fundament tief genug baut! Wenn er sich nicht in den Sackgassen seiner Illusion verrennt. Er muss vom Nullpunkt ausgehen oder durch das Nadelöhr gehen, wenn er ins Reich Gottes, ins wahre Leben eintreten will.

Wie geht nun die Geschichte dieses Petrus weiter? Eigentlich genauso, wie sie angefangen hat. Seine Bekehrung hat angefangen, vollendet ist sie noch lange nicht. Vollendet wird sie erst in seinem Tode sein.

Ziemlich in der Mitte seines Lebens hat Petrus eine Probe zu bestehen. Es scheint, als sollte er überprüfen, wieweit er wohl schon gekommen ist. Wieweit seine Seele schon gewachsen ist.
Wieder spielt die Erfahrung auf dem „See“, also in der Seele.

Jesus beherrscht dieses See-Instrument. ER kann auf dem Wasser gehen. Petrus kann das auch,- aber nur, solange das Wasser eben und glatt ist. Sobald eine Unruhe, eine Woge, eine Turbulenz auftritt, verliert er Jesus aus dem Blick, verliert er den Boden unter den Füßen. Er geht jämmerlich baden. Er ist noch nicht sehr weit gekommen, heißt das. Da sind nur erst Anfänge seiner Seele zu sehen.

Die entscheidende Probe aber kommt zum Schluss. Da ist Petrus zwar auf dem festen Land, aber er wird noch jämmerlicher baden gehen als es je auf dem See geschah. Seine eigenen Tränen werden zum See. In ihnen geht er unter, sie werden ihn aber auch wieder ins Leben spülen.
Kurz bevor Jesus verhaftet wird, sieht er sehr hellsichtig, was geschehen wird. Jesus erkennt das, weil er die Seele versteht. Er ahnt, er weiß, was sich vollziehen muss, weil der 1. Schritt immer schon in der Seele getan ist. Alle werden sich gegen ihn verschwören,- weiß Jesus. Den Weg, den er jetzt geht, wird er alleine gehen müssen. Keiner geht mit. Der Glaube an ihn, das Vertrauen an Gott, in die Güte des Lebens wird ausgelöscht werden. Die Herde verläuft sich, sie stiebt auseinander. Ich bete darum, sagt Jesus, dass dein Glaube, Petrus, nicht aufhört, wie er aufhörte, als du damals von der Woge verschluckt wurdest.

Ich doch nicht! – antwortet Petrus. Bis ins Gefängnis, ja bis in den Tod gehe ich mit.
Was für eine Illusion das ist! Wenn er leise gesagt hätte: ich weiß nicht so recht – es wäre ehrlicher und besser gewesen.

Jesus kennt Petrus tiefer als dieser sich selbst kennt. Er kennt die Seele. Er weiß, wo die Fische sind und wo nicht.
Ehe der Hahn kräht, wirst du mich drei Mal in Stich gelassen haben, sagt er zu Petrus. Es ist seine bittere Erkenntnis, dass alle an ihm irrewerden.

Das muss so sein. Nicht, weil es ein bestimmender Gott so will, sondern weil das das Gesetz der Seele ist, wenn sie erst einmal irregeleitet ist, wenn sie keinen Glauben mehr hat, wenn sie sich mit dem blanken Ich verwechselt oder identifiziert.

Petrus wird im entscheidenden Moment alles vergessen haben, was Jesus ihm im Vorhinein sagte. Er wird nur noch ein zitterndes Bündel von Angst sein. Aus Angst wird er sich noch mit den Gegnern verbünden. Er wird sie noch übertreffen wollen in der Absage an Jesus: Ich kenne den nicht! Was habe ich mit dem zu tun! Er wird sich verfluchen. Es ist, als wollte er Jesus schon vorweg töten. Er tötet ihn auch – in seiner Seele, und er lässt alles in Stich. Nicht nur Jesus, sondern alles, was er durch ihn und an ihm gelernt hat. Er verrät auch seine eigene Seele, jedenfalls da, wo sie tief ist. Er geht wieder ins seichte Gewässer,- bis der Hahn kräht.

Es ist das Glück des Petrus, dass er den Hahn überhaupt hört bei soviel Gefluche und Gelüge.
Der Hahnenschrei trifft ihn wie ein Blitz. Sein Krähen ist wie ein Dolch, der bis in seine vergessene, irregeleitete Seele stößt und trifft.

Petrus ist wieder am Nullpunkt. Er ist keinen Schritt weitergekommen. Wahrscheinlich ist dies sogar erst sein absoluter Nullpunkt. Tiefer und eisiger geht es nicht mehr.

Aber es ist nicht das Ende. Judas hat sich einen Strick genommen und erhängt. Für ihn war das die verzweifelte Konsequenz eines verirrten Lebens. Petrus aber lässt dieses verirrte Leben von seinen Tränen wegspülen. Gott sei Dank kann er weinen. Das ist der große Unterschied zum Judas. Nachdem Petrus geweint hat, sieht er klarer.

Später – nach Ostern – begegnet Petrus noch einmal dem Auferstandenen. Liebst du mich – fragt ihn Jesus. Petrus antwortet nicht einfach „Ja“, was bescheiden und einfach und klar wäre.
Du weißt es, sagt der alte, starke, zu starke Petrus, aber eigentlich meint das „Nein“. Liebst du mich, fragt Jesus deshalb noch einmal. Ich stelle mir vor, dass die Antwort jetzt schon etwas leiser kommt. Und noch ein drittes Mal fragt Jesus. Drei Mal, wie er drei Mal verleugnet wurde. Und jetzt antwortet gar nicht mehr der Petrus, sondern der Hahn, den er mittlerweile in seine Seele integriert hat, antwortet traurig: Herr, Du weißt, dass ich dich liebe. Vielleicht meint er aber auch „ob ich dich liebe“.

Petrus vermag wenig. Er vermag alles, solange man nur das Äußere sieht. Aber je tiefer man gräbt, um so weniger bleibt. Schließlich kann er sich nur in die Hände Gottes werfen.

Genauso, als hätte er das getan, antwortet ihm Jesus dann auch zu guter Letzt: Bisher hast du dich selbst gegürtet, jetzt gürtet dich ein anderer. Gott – und er führt dich.

Darin vollendet sich das Leben des Petrus – und er kommt Jesus noch ganz nahe. Er stirbt fast wie er. Worauf er sich bei der Verleugnung noch nicht einlassen konnte,- es kommt, und Petrus besteht.

Das klingt alles sehr traurig. Manches klingt vielleicht sogar schaurig. Ist das Leben so grausam? Sieht die Nachfolge Jesu zwangsläufig so aus? Die Geschichte des Petrus soll doch ein Glutfunke für uns sein. Aber soll seine Wahrheit etwa so wie bei ihm in uns zum Feuer werden?
Ich wage auf diese Frage nicht „Ja“, aber auch nicht „Nein“ zu sagen.
Jeder, jede muss sehen!

Jesu Leben bestand nicht nur aus Leiden. Das darf nicht vergessen werden. Er hat Heil gebracht, und zum Heil gehören Freude, Essen, Trinken, Tanzen, Lieben, Gesundsein und Glücklichsein. Aber als er um des Heils willen sterben musste, hat er darum auch keinen Bogen gemacht. Dieses Sterben ist nicht immer gleich ein grausamer Tod, wie ja auch das Heil nicht sofort das ganze Paradies ist. Es gibt auch die vielen kleinen Tode, die man im Alltag stirbt. Wenn wir uns vor denen drücken wollen, kräht der Hahn des Petrus. Hoffentlich hören wir ihn dann auch wie Petrus.
Eines allerdings ist noch wichtiger: nach den Tränen sieht man klarer. Man sieht durch sie hindurch ins Heil. Das ist und bleibt – unter Einschluss der Tränen - Inhalt und Ziel des Lebens: das tiefe, tiefe Heil.

AMEN

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