Dienstag, 17. Februar 2009

PETRUS - die Bekehrung zum Heil

Die Berufung des Petrus Lukas 5,1-11

Liebe Gemeinde,

in der letzten Predigt über die Geschichte vom 12jährigen Jesus im Tempel haben wir gehört, dass jeder Mensch nicht nur seine natürlichen Wurzeln in Vater und Mutter hat, sondern dass er aus einem noch tieferen Grund – aus Gott – kommt, und dass er vor allem aus diesem Grund leben soll. Anders leben also als es die bloße Herkunft oder die reinen Gene hergeben. Das hat Jesus mit 12 Jahren erfahren, als er beginnt, erwachsen zu werden.

Was ist in der Zwischenzeit mit ihm geschehen?

Jesus hat – wie man annehmen kann – mit seinem Vater als Zimmermann gearbeitet. Er hat Häuser gebaut und dabei ist auch das Haus seines Lebens gewachsen. Im Alter von ca 30 Jahren muss ihm etwas Außergewöhnliches passiert sein. Er war kein junger Mann mehr, sondern nach damaligem Maßstab bereits ein reifer Mann. Er ließ sich von Johannes dem Täufer taufen und erfuhr in dieser Taufe, dass ihm eine besondere Sendung, eine besondere Aufgabe zukommen sollte. Er sollte das Reich Gottes ankündigen und nicht nur ankündigen, sondern mehr noch: er sollte es beginnen, zu leben.

Was ist das, das „Reich Gottes“?

Es gibt viele Definitionen. Die schönste – finde ich – ist folgende: Reich Gottes ist die Anwesenheit, die Realisierung des umfassenden, umfassendsten Heils. Das universale Heil. Die Menschen, ja die Welt, der ganze Kosmos – sie sollen heil, ganz, vollkommen sein. Unheil soll es nicht mehr geben!

Deshalb heilt Jesus. Er ist vor allem ein Heiler. Er macht Kranke gesund, mehr aber noch als den Körper, heilt er ihre Seele. Jesus macht ganz. Diese Kraft, dieses Vermögen besitzt Jesus, weil er aus dem tiefsten Grund – aus Gott – lebt.

Jesus heilt. Er befreit u.a. die Schwiegermutter des Petrus von einem bösen Fieber. Das war der Auftakt zur Bekehrung des Simon – Petrus. Was da geschehen ist – in Petrus und mit Jesus, wie Jesus seinen ersten Jünger und Nachfolger findet – das soll jetzt das Thema sein. Es bringt uns Gewinn für unser eigenes Seelenleben.

Zunächst die Geschichte:

Es begab sich aber, als sich die Menge zu ihm drängte, um das Wort Gottes zu hören, da stand er am See Genezareth und sah zwei Boote am Ufer liegen; die Fischer aber waren ausgestiegen und wuschen ihre Netze. Da stieg er in eines der Boote, das Simon gehörte, und bat ihn, ein wenig vom Land wegzufahren. Und er setzte sich und lehrte die Menge vom Boot aus. Und als er aufgehört hatte zu reden, sprach er zu Simon: Fahre hinaus, wo es tief ist, und werft eure Netze zum Fang aus! Und Simon antwortete und sprach: Meister, wir haben die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen; aber auf dein Wort will ich die Netze auswerfen. Und als sie das taten, fingen sie eine große Menge Fische, und ihre Netze begannen zu reißen. Und sie winkten ihren Gefährten, die im anderen Boot waren, sie sollten kommen und mit ihnen ziehen. Und sie kamen und füllten beide Boote voll, so dass sie fast sanken. Als das Simon Petrus sah, fiel er Jesus zu Füßen und sprach: Herr, geh weg von mir! Ich bin ein sündiger Mensch. Denn ein Schrecken hatte ihn erfasst und alle, die bei ihm waren, über diesen Fang, den sie miteinander getan hatten, ebenso auch Jakobus und Johannes, die Söhne des Zebedäus, Simons Gefährten. Und Jesus sprach zu Simon: Fürchte dich nicht! Von nun an wirst du Menschen fangen. Und sie brachten die Boote ans Land und verließen alles und folgten ihm nach.

Wie wird Petrus heil? – das ist jetzt die Frage.
Man könnte unsere Geschichte zunächst einmal ganz oberflächlich verstehen. Dann hätte Jesus Wunderbares vollbracht, Kranke geheilt und für wunderbar viele Fische gesorgt. Ein Dummkopf, wer nicht mit fliegenden Fahnen zu ihm überlaufen würde, wenn es bei ihm so beeindruckend her geht. Jesus wäre dann ein Wunder-Guru, der für alle in seiner Nähe vollen Erfolg verspricht. Er wäre einer, der großartige Aussichten ankündigt, wie das auch manchmal Politiker, die politischen Messiasse, tun. Und die Scharen laufen hinter ihnen her. Das Reich Gottes als Schlaraffenland. Hitler – um den schlimmsten zu nennen – war ein solcher Menschenfänger, vor allem in seinen Anfängen. Um so etwas geht es aber bei Jesus nicht.

Wenn man tiefer in den Text hineinschaut, merkt man schnell, dass es nicht um eine Erfolgsstory geht. Jesus will auch keine Anhänger machen, die abhängig werden, Gefolgsleute sind, die ihr eigenes Ich und ihr Vermögen aufgeben, um sich blind an einen anderen zu hängen. Vor Anhängern hütet sich Jesus. Sie belasten eigentlich alles. Wenn sich eine solche Gefahr anbahnt, geht Jesus immer schnell fort. Er zieht sich in die Einsamkeit zurück, weil er weiß, dass solche Anhänger ihn gar nicht verstehen. Sie hängen nur an und beschweren den Weg. Alles, was sie wollen, ist etwas für sich selbst. Alles ist nur Oberfläche auf äußeren Erfolg aufgebaut. Äußeren Erfolg aber nutzt Jesus nie aus. Die sog. Anhänger sehen nie das Tiefengeschehen, um das es wirklich geht.

Bei Petrus ist es anders. Er freut sich gar nicht über den riesigen Fischfang. Er fürchtet sich. Das ist merkwürdig. Petrus sieht sich als „sündigen Menschen“. Das versteht man nicht sofort. Irgendwelche Vergehen, wie sie jeder auf dem Kerbholz hat, sind dabei doch wohl nicht gemeint. Petrus sieht sich ganz, vom Wesen her, als sündigen Menschen. So kann er mit Jesus nicht in Berührung kommen. Geh weg von mir – sagt er. Das ist äußerst unverständlich.

Was ist da passiert? Was knirrscht da in der Seele des Petrus? Was dreht sich da in ihm um?

Nun, Jesus hatte Petrus ja auf den See hinausgeschickt, „da wo er tief ist“. Das Wasser ist tief und unergründlich. Es ist gefährlich. Es kann einen Menschen verschlingen oder wegschwemmen. Im Wasser gibt es keine Balken. Wer nicht schwimmen kann, ersäuft – und welcher Seemann kann schon schwimmen?
Alles am Wasser ist anders als auf dem festen Land. An Land kann man auftreten. Alles ist konkret, planbar, berechenbar. Das Wasser aber ist unberechenbar. Wir verstehen die Gesetze nicht, die dort herrschen.

Nun ist Petrus aber Fischer. Er sollte das Wasser kennen! Aber Jesus – der Zimmermann – kennt es besser, wie sich zeigt. Er schlägt Petrus auf eigenem Terrain. Und doch geht es nicht um einen Wettkampf. Jesus versteht. Er weiß. Petrus versteht gar nichts, auch wenn er es anfänglich gemeint hat. Dass er nichts weiß, begreift er jetzt. Er kapituliert als Fachmann. Ich bin nichts als ein sündiger Mensch – sagt er.

Sünde kommt von Sund. Das ist ein Graben. Ein Graben trennt. In diesem Fall trennt er Gott und den Menschen.
Petrus erkennt also, dass er ein von Gott abgetrennter Mensch ist. Jesus ist nicht so abgetrennt. Er steht in innigstem Kontakt mit dieser unbekannten Welt. Er weiß, er versteht, er beherrscht, und er kann die Gesetze dieser unbekannten Welt anwenden. Durch ihn kommen Fische und nicht nur einige wenige. Nein, durch ihn kommt die Überfülle. Es kommt das allumfassende Heil.

Das begreift Petrus schlagartig. Er erlebt es und er streicht seine Segel als Fischer. Das ist eine erste illusionslose Einsicht. Und es ist die erste heile Einsicht. Von hieraus kann er wachsen.

Es ist uns sicher klar geworden, dass es hier um ein spirituelles Verständnis des Geschehens und des Ortes geht. Tiefenpsychologisch steht das Wasser immer für das Unbewusste. Das feste Land ist dazu im Gegensatz das Bewusste, das Konkrete. Da aber, wo das Wasser – das Unbewusste – am tiefsten ist, da, wo Jesus ja Petrus hingeschickt hatte, da ist noch mehr als nur Unbewusstes. Spirituell gesehen können wir sagen, dass das tiefe Wasser hier für den Bereich Gottes, für das Reich Gottes steht. Die Fische sind dann die Früchte dieses Reiches.
Das ist der Bereich, den Jesus kennt. Es ist sein eigner, tiefster Grund. Genau das will er den Menschen kenntlich machen. Das will er ihnen zeigen und dorthin will er sie führen.

Das Bekenntnis des Petrus lässt ahnen, was mit dem Menschen geschieht, wenn er mit diesem Bereich in Berührung kommt: Petrus sieht sich negiert und zugleich im höchsten Maße aufgefangen. Er wächst.

Das ist das Großartigste an der Geschichte. Jesus stößt Petrus nicht von sich. Er geht auch nicht weg, wie Petrus ihn bittet. Er macht vielmehr Petrus heil. Er erklärt sein Heil: von nun an wirst du Menschen fangen. Wenn du das begriffen und erlebt hast, was du erlebt und begriffen hast, kannst du auch andere Menschen dahin führen. Du kannst sie ebenfalls heilen. Du kannst ihnen das Heil aufgehen lassen.

Jesus will keine Anhänger, sondern er will Menschen, die das Heil leben. Die das Reich Gottes leben, wie er es lebt. Er will keine Anhänger, sondern Nachfolger. Es gibt keinen anderen Eingang ins Reich Gottes als dieses Nadelör, als diesen Tod, den der Petrus „als Fachmann“ sterben muss. Er stirbt ihn, als er sieht und bekennt, wer er ist: ein von Gott getrennter Mensch. Wer das einmal betrauert hat, der ist heil und er kann das Heil weitergeben. Der kann andere Menschen zu ihrem Heil führen. Durch ihre allzu feste Bodenständigkeit hindurch, führt der Weg ins Andere und Neue.

Das können und sollen wir alle auch so erleben und weitergeben. Das ist nichts, was etwa nur religiösen Genies vorbehalten bleibt. Wir müssen allerdings auch wie Petrus da fischen, wo das Wasser am tiefsten ist. Wenn wir immer nur an Land bleiben oder nur vorne im flachen Wasser, im Trüben fischen, kommen wir nicht weit. Dann begnügen wir uns mit dem Bekannten. Dort finden wir nicht wirklich uns, wie wir wirklich sind, und auch nicht Gott.

Versprochen ist uns aber, das ganze Heil zu finden.

Auf die Boote also – und die Netze ausgeworfen, wo das Wasser am tiefsten ist!

AMEN

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