Dienstag, 27. Januar 2009

Das Goldene Kalb Exodus 32 - 34

4. Glutpredigt: Die Geschichte vom Goldenen Kalb

Liebe Gemeinde,

der Überlieferung nach ist das Volk Israel 40 Jahre lang durch die Wüste gezogen bis eine ganz neue Generation herangewachsen war, die ins sog. „Gelobte Land“ einziehen durfte.
Spätere Generationen haben in diese 40 Jahre Wüstenzeit alles hineingelegt, was sie eigentlich erst selbst erlebten. Diese 40 Jahre wurden zu einer idealtypischen Zeit. Sie galt als Brautzeit Israels. Alles, was in dieser Zeit geschehen ist, ist ein Typus. Es kann jederzeit wieder geschehen und es ist so geschehen.

Der Prophet Hosea schildert in höchsten Tönen die Liebe und Sorgfalt, mit der Gott Israel in jungen Jahren auf den Armen durch die Wüste getragen hat. Das erscheint ihm wie ein Kontrast zu seiner Gegenwart, in der das Volk von Gott zunehmend abfällt.

Aber auch solch einen Abfall hat es in der Idealzeit Israels schon gegeben. Bekannt ist die Geschichte vom „Goldenen Kalb“. Was ist da passiert?

Moses war auf den Berg gestiegen. Er war in die Wolke hineingegangen, um dort Gott zu begegnen. Aus dieser Begegnung hat er die 10 Grundgebote für das Leben gebracht.

Wir hören, dass Moses zwei Tafeln mit brachte. Auf der einen standen die Gebote, die das Verhältnis der Menschen zu Gott regeln. Auf der anderen Tafel standen die Gebote, die das Verhältnis der Menschen untereinander regeln.

Das 1. Gebot lautet bekanntlich: Ich bin dein Gott! Keine Götter neben mir!
Das 2. Gebot: Kein Götterbild machen! Aber auch kein Gottesbild!

Dabei war die Welt und ist die Welt doch voller Götterbilder. Streng genommen ist ja jedes Wort, das wir über Gott sagen oder mit dem wir Gott bezeichnen, ein Götterbild. Wir machen uns in menschlichen Worten Gott greifbar. Ob wir ihn Vater oder Mutter rufen, Herr, König oder Hirte nennen – immer ist es ein „Bild“ von Gott, zu unserer Hilfe.

Das Umgekehrte gilt aber auch: Wenn Gott sich uns zeigen will, muss er eine Gestalt wie ein Bild oder ein menschliches Wort nutzen, das wir verstehen können. Alles andere würde uns nichts nützen. Gott, wie er ist, könnten wir nicht verstehen. Jedes Bild, jedes Wort, das Gott für sich erwählt, ist eine Hilfskonstruktion. Das wird erst anders, wenn Jesus Christus als lebendiger Mensch das Bild Gottes, die Ikone Gottes wird. Vorerst ist Gott selber immer noch anders als alle Begriffe und Bilder. Er ist transzendent, jenseits aller Bilder.

Trotzdem: Bilder sind nötig. Sie sind unumgänglich. Ohne sie könnten wir gar nicht von Gott reden. Zugleich steckt eine Gefahr in ihnen, weil sie Gott zu umgänglich machen. Sie legen ihn fest auf den einen Aspekt, den das Bild bezeichnet. Jedes Bild macht Gott kleiner als er ist. Verlässt man sich ganz auf das Bild und seine Botschaft, so sieht man am Ende womöglich nicht mehr Gott sondern nur Götzen.

Deshalb sind die Bilder, die Israel für Gott findet – wenn schon Bilder sein müssen, so geheimnisvoll. Sie wollen die Freiheit und Jenseitigkeit Gottes einfangen oder besser: umschreiben. So ist er dann also im Feuer, aber in einem, das nicht verbrennt. Oder er ist in der Wolke, die nur vorübergeht, die sich ins Nichts auflöst und plötzlich wieder aus dem Nichts erscheint, die aber immer verhüllt, was sie bezeichnet. Oder er ist im leeren Raum, im „nichts von alledem, was Menschen fabrizieren“, in der Leere der Bundeslade oder später im leeren Tempelraum. Oder Gott ist – paradox – im Schweigen zu hören, in der Stille wahrzunehmen – wie Elia es am Horeb erfährt..

Gott ist unverfügbar, aber er verfügt. Das schützt das Bilderverbot. So alleine bleibt er der einzige Gott, wie es das 1. Gebot verlangt.

Weil Moses nun zulange in diesem Geheimnis, in der Wolke auf dem Berg verweilt, langweilt sich das Volk und wird ungeduldig. Sie möchten einen handfesteren Gott und für einen solchen Gott geben sie alles Kostbare, was sie haben: ihr Gold, ihr Vermögen, ihren Erfolg, ihre Kraft und Stärke, ihre Fruchtbarkeit. Was dabei herauskommt, ist ein goldener Stier. Er wächst aus diesem Schmelzvorgang. Eigentlich sind sie selbst dieser Stier, in ihrer größten und mächtigsten Potenz. Er ist ein Bild ihrer selbst – und eben nicht ein Bild Gottes.

Der Stier, d i e s e r Gott hat uns aus Ägypten herausgeführt – sagen sie jetzt. Das heißt aber: wir selbst haben uns herausgeführt. Wir haben uns befreit und nicht mehr Gott, wie Moses sagt.

Als Moses zurückkehrt, begreift er sofort, was geschehen ist: nicht mehr Gott steht an 1. Stelle. Sie haben sich selbst zum Götzen gemacht und in die Mitte gestellt. Sie kreisen im Tanz um ihre eigene Stärke, um ihr eigenes Gold. Man wird aber auch zu dem, was man lange umkreist oder was man lange ansieht. Es färbt ab. Schon tragen sie alle die Amulette der Potenz und Stärke an sich.

Es gibt nur einen Weg, den ganzen Spuk wieder los zu werden: Was sie aus sich herausgesetzt haben, was sie aus sich heraus erfunden haben, was sich so ergeben, gebildet hat, das müssen sie in sich zurücknehmen. Sie müssen erkennen, dass es nichts als Dreck ist. Deshalb zerstampft und zerreibt Moses das Götzenbild. Er vermengt den Goldstaub mit Wasser und dieses Gebräu müssen sie trinken. Sie müssen es in sich zurücknehmen, und es ist nichts als Dreck, um nicht drastischer zu reden.

Moses aber geht wieder in die Wolke hinein, in die Dunkelheit Gottes, ins Nichts. Dann kehrt er mit einem Glanz auf dem Angesicht zurück, den kaum jemand ertragen kann. Es ist der Abglanz Gottes. Auch hier gilt: was man lange anschaut, zu dem wird man.

Wer lange und nur ins Fernsehen schaut, wird langsam so, wie die Charaktere in den Soaps und Krimis.
Wer in sein Auto vernarrt ist, wird langsam selbst zur Maschine.
Wer nur Sparkassenbücher liest, vergöttert sich zum Geld-Götzen.

Wer Gott anschaut, den überzieht ein Glanz.

Was die Bibel da schildert, ist nicht eine archaische Geschichte aus grauer Vorzeit. So passiert es leider immer wieder. Gott ist ungreifbar. Man muss lange, lange ins Nichts hineinspüren, bis er uns ergreift, erwählt, beruft, bis wir seine Zeichen verstehen und deuten können.

Vielen ist das zu mühsam. Sie machen sich lieber Götter, auch wenn das alles nur Exponate, Ausstellungsstücke ihrer selbst sind. Sie stellen sich selber lieber gerne in den Mittelpunkt und wollen ihr eignes Leben bestimmen und das der Welt. Sie warten nicht gerne, sondern tun und machen.
Das geht eine zeitlang gut. Aber nur eine Zeit lang. Dann gibt es Chaos oder Krieg. Krisen eben, lebensbedrohlicher Art.

Es gibt nur einen Weg zur Erlösung. Wir müssen alles Exponierte in uns oder überhaupt u n s zurücknehmen. Wir haben zu erkennen, dass wir es sind, die das so machen, und wir haben zu erkennen, dass es so ein Irrweg ist.

Einmal erkannt, ist es gebannt – und der Glanz Gottes kann sich verbreiten. Allerdings: GOTT ist nicht in Bildern, auch wenn sie noch so schön sind. Gott ist auch nicht in Bild-Worten – seien sie noch so sensibel und poetisch. Er ist auch nicht in herrlichen Räumen zu fassen. Gott ist immer anders. Er berührt uns und führt uns auf e i g e n e Weise. Er spricht sein eigenes Idiom zwischen den Zeilen und in den Worten.

Unsere Worte, mit denen wir unsere Erfahrung nachsingen, sind nur Verweis. Sie sind bestenfalls der Finger, der zum Mond zeigt, nie aber der Mond selber. Auf den Mond selber aber kommt es an,- egal, ob er voll leuchtet oder im Dunkel verborgen ist, ob er geht oder kommt.

AMEN

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen