Sonntag, 11. Januar 2009

2. Glutpredigt - Der Dornbusch - Ex 3

GOTT und der brennende Dornbusch – Exodus 3

Liebe Gemeinde,

beim letzten Mal haben wir uns ein erstes Mal mit Moses beschäftigt. Dieser Mann ist nun nicht nur irgendjemand aus der langen Geschichte der Menschheit, irgendein herausragender Einzelner – Moses ist ein Prototyp des Menschen. Er ist ein Modell, an dessen Erfahrungen wir unsere Erfahrungen messen können.

Wir haben von der Gefährdung des Kindes gehört. Um ein Haar wäre Moses ja schon als Kind umgekommen. Aber genau durch die Tiefe dieser Gefährdung hindurch wird das Kind gerettet, kommt es sogar in höchste Kreise – zum Pharao, um zu lernen mit der Macht umzugehen.
Moses wird also zuerst ein Machtmensch, der sich allerdings so in Macht und Gewalt verstrickt, dass er im Aufruhr einen Ägypter erschlägt und fürchten muss, von seinen eigenen Leuten denunziert zu werden.

Diese Richtung zeigt keinen Weg an. Wieder gibt es also einen Knick in der Biographie des Moses. Er flieht zu einem Nomadenvolk in die Wüste und heiratet in die Familie des Stammespriesters ein. Er selbst ist aber dort nicht mehr als ein Hirte – und auch nicht weniger. Das ist nicht unbedeutend für alles Folgende. Diese Zeit wird für ihn so etwas wie eine Lebens- u. Willensschulung.
Als Hirte hat er nichts anderes zu tun als den Schafen und Ziegen zu folgen. Alles läuft nicht mehr unbedingt nach seinem Willen, sondern nach dem der Tiere. Er hat sich vorerst einem fremden Willen zu überlassen und muss ihm beschaulich und geduldig folgen.

Da aber – und gerade jetzt – tritt Gott in sein Leben.

Wahrscheinlich hat Moses bei diesem Wüsten-Nomadenvolk einen neuen Gott kennen gelernt. Das klingt, als hätte er ihn dort studiert oder durch seine Gedankenkraft gewissermaßen erst gestaltet oder gar erfunden. Aber so schlicht ist es nicht.

Er hat diesen Gott erfahren, erlebt. Das hat sein Leben verändert. Aufgrund dieser Erfahrung wurde er zum Religionsstifter. Ohne Moses und seine religiöse Erfahrung wäre die Weltgeschichte anders verlaufen.

Was aber war das für eine Erfahrung?

Nun, wie gesagt: Moses läuft willenlos, nicht zielgerichtet, sich dem Lauf des Lebens und des Alltags überlassend in der Wüste umher- und das ist eine ziemlich reizarme Gegend. Genau da- im Leeren -passiert ihm die Gottesbegegnung.
Ist das nun ein äußeres, objektivierbares Geschehen, so wie es in der Bibel dargestellt wird? Oder ist es ein inneres, subjektives Geschehen im Herzen oder im Bewusstsein des Moses? Passiert da etwas objektiv Sicht- u. Greifbares, oder ist es „nur“ eine Bewusstseinsveränderung des Moses, die einen sichtbaren Persönlichkeitswandel nach sich zieht?

Folgen wir zuerst der Bibel. Aber schauen wir genau, was da passiert.

Moses sieht einen Dornbusch. Einem solchen nähert man sich nicht gerne. Er bietet keinen Schatten und liefert kaum Früchte. Man dringt nicht in ihn ein, ohne empfindlich und gefährlich verletzt zu werden.
Dieser Dornbusch brennt, und er brennt auch wieder nicht. Er verbrennt nicht.
Auch ein Feuer hält man lieber auf Abstand. Man berührt es besser nicht, wenn man selbst unbeschädigt bleiben will.

Doch gerade dieses eigenartige Phänomen zieht Moses an. Es spricht zu ihm. Es ruft ihn an – und Moses hört. Er lauscht geradezu in diesen Dornbusch und in dieses Feuer hinein.

ICH bin dein Gott – spricht es aus dem Feuer.
Und wie heißt DU? – fragt Moses.
JHWH - ICH bin da, antwortet es.

Das ist eigentlich gar kein Name, sondern eher eine Namensverweigerung. Als würde das Feuer sagen: Frage nicht nach dem Namen! Du musst mich nicht mit einem Namen rufen. Es genügt, dass ICH da bin, dass ich präsent bin. Dass ICH für dich da bin. Ich bin mit dir.
Es ist also eine Beziehung da. Die wird dir helfen.
Gott ist nicht allgemein, nicht theoretisch, nicht beziehungslos da. Er ist Beziehung und die i s t da.

Und jetzt geh zum Pharao und führe mein Volk, diese Sklavengruppe, in die Freiheit! – sagt die Stimme weiter.

Die Beziehung stiftet eine Berufung. Sie erteilt einen Auftrag. Sofort.


Was ist das für ein merkwürdiger Gott? Man kann ihn nicht ansehen, man kann ihn nicht fassen, ihn nicht ergreifen, schon gar nicht in ihn dringen. Man kann ihn nicht rufen. Aber er ist da. Er ist mit dem Moses.

Vielleicht sogar i n ihm?

Moses wagt auch gar nicht, ihn anzusehen, und er schaut auch nicht ins Feuer, er vergeht nicht darin. Er hat vielmehr seine Schuhe ausgezogen, denn er bewegt sich – wie er spürt - hier auf heiligem Terrain. Und er hat seinen Schal über den Kopf gezogen. Es ist, als ginge er ganz in sich.

Es sieht aus, als wäre das also doch ein innerer Vorgang. Es könnte sich alles doch im Herzen oder in der Seele des Moses abspielen. Gott ist ja nicht da, wie andere Gegenstände oder andere Lebewesen. Er ist nicht da wie ein Ding neben anderen. Wenn Gott erscheint, erscheint eine andere Ebene. Dann ist diese oder ER immer i n den Dingen da oder i n den Geschehnissen – also auch i n Moses und i n dem, was er erlebt. Könnte das ganze Geschehen nicht insgesammt ein äußeres Bild für ein inneres Geschehnis des Moses sein?

Wie also, wenn Moses selbst der Dornbusch wäre? Viel mehr Wert als ein Dornbusch ist er ja auch nicht, der Mörder und Flüchtling, der gebrochene Hirte. Aber dieser Dornbusch, dieser Moses, steht in Flammen. Er ist entzündet von Gott.
Und das merkt er auch: dieses Erleben kann ich nicht ergreifen und festhalten. Ich kann es nicht manipulieren und benutzen. Vielmehr ist diese Kraft in mir, sie begleitet mich, sie ist für mich da – und sie sagt mir, was ich tun kann und soll: ein Volk jetzt in die Freiheit führen.

Moses hat Gott erfahren – und er hat das in sich und in seinem Leben erlebt. Es ist unverfügbar. Es ist ein Feuer in ihm. Das ist seine Gewissheit.

Das alles hören wir wie eine Geschichte aus einer fernen Zeit. Aber es ist inzwischen auch nicht anders geworden. Gott erfährt man nach wie vor nicht „pur“, als stände er außer uns, neben uns. Als könnten wir ihn benutzen, wenn wir ihn brauchen und wegstellen, wenn er seinen Dienst getan hat.
Er ist in uns und mit uns da. Er wirkt durch mich und in mir. Er entzündet mich. Er entflammt.
Das spüren wir nicht immer. Deshalb sagen wir: Ich habe keine Gotteserfahrung. Ich weiß gar nicht, was das ist. Ich kann es ja auch nicht machen. Wenn ich es so versuchte, käme es mir wie pure Einbildung vor.
Möglicherweise aber sehe ich an dem Dornbusch in mir immer nur vorbei, oder ich gehe vorbei. Ich trete eben nicht wie Moses mit bloßen Füßen vorsichtig näher. Ich denke vielmehr, dass es da gar nichts gibt, dass ich alles allein machen muss, dass Gott eben nicht da ist.

Genau in solchen missratenen verrannten Situationen können wir eine Gotteserfahrung machen.
Wenn sich ein Problemknoten nicht löst, trotz aller Anstrengung – und dann löst er sich doch, einfach weil ich losgelassen habe und eine Nacht darüber geschlafen habe – ist das eine Gotteserfahrung oder nicht?! Ich habe dem anderen Raum gegeben. Der Dornbusch kann sich zeigen – auch in Flammen.

Oder wenn eine erstarrte Seele in Bewegung gerät durch Liebe, Mitleid, Güte, Barmherzigkeit,- was ist das anderes als eine Regung der Gottesflammen in mir?

Manchmal bekommen wir Angst vor diesem inneren Feuer. Am liebsten würden wir es sofort wieder löschen. Erinnern wir uns dann an den Dornbusch: Gott entzündet, aber er verbrennt nichts. Der Dornbusch brennt, ohne zu verbrennen. Es ist nichts zu befürchten.

Dennoch zweifeln viele Menschen an Gott. Manche verzweifeln sogar, weil sie mit dem Unglück in der Welt, den Katastrophen und dem Unrecht nicht zu Rande kommen. Einen gütigen Gott, der zugleich allmächtig ist, kann es im Rahmen der menschlichen Logik nicht geben. Dafür gibt es zuviel Unglück in der Welt. Der Verstand hätte es gerne, dass es einen Gott gäbe, der nur menschengenehme Ordnungen schafft. Die Welt ist aber nicht rational geschaffen. Einen Sinn in dem allen erkennen wir erst – vielleicht -, wenn wir den reinen Verstandeszugriff loslassen. Den Dornbusch, das Feuer kann man nicht fassen, nicht berechnen, nicht zwingen – und es macht trotzdem Sinn. GOTT ist eben zuerst feurig – und dann gütig und allmächtig in seiner Feurigkeit.

Es ist ein gewaltiges Thema, wenn wir uns die Frage stellen, wer Gott ist und wie er ist, wie wir ihn erfahren können.
Ein jeder und eine jede muss da seine und ihre Erfahrungen machen – und wir müssen darüber reden, wenn wir uns gegenseitig helfen wollen. Keiner übersieht alles, jeder sieht nur einen Teil.
Nur eines ist klar: Wenn es um Gott geht – wir werden ihn nicht ergreifen, sondern er ergreift uns. Eine günstige Voraussetzung wird es sein, sich in inneren und äußeren Wüsten dem Lauf des Lebens – willenlos – zu überlassen. Wenn wir dem brennenden Feuer dann nahe kommen, sollten wir unsere Schuhe ausziehen und uns in ein Tuch hüllen. Wir müssen mit Ehrfurcht in uns hineinsehen, dann werden wir mehr vom Feuer Gottes, das nicht verbrennt, in uns und unserem Leben erleben.

AMEN

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