Dienstag, 26. Mai 2009

Joseph - oder wie man wird, was man ist

Joseph - ein Konfirmand früherer Zeiten (Predigt anlässlich einer Konfirmation)


Liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden, liebe Gemeinde,

im Vorfeld früherer Konfirmationen habe ich verschiedentlich die Jugendlichen nach ihren Zukunftsplänen gefragt. Das führte dann öfters zu einem Schmunzeln oder gar zu offenem Lachen in der Kirche, wenn wir vorlasen, was die Jungen und Mädchen geschrieben hatten. Zum Beispiel: Ich möchte Rennfahrer werden wie Schuhmacher oder Tennisprofi wie Steffi Graf, oder auch schlicht: Ich möchte Millionär werden, ein schönes Haus besitzen, zwei Kinder haben und in der Garage soll ein Jaguar stehen. Das Lachen der Erwachsenen, der Eltern und Verwandten war vermutlich nie böse gemeint. Eltern hören solche Zukunftspläne ihrer Kinder mit Wohlwollen. Es ist ja gut, wenn Kinder Ziele haben. Sie dürfen ruhig ein wenig hoch gegriffen sein. Das Leben wird es schon richten.

Euch habe ich nun nicht so gefragt, aber ich vermute dennoch, dass ihr auch Ziele, Träume und Wünsche habt. Was wäret ihr sonst für Jugendliche!
Deshalb auch möchte ich euch jetzt von einem jungen Mann erzählen, aus dem tatsächlich Großes geworden ist. Das hat sich zwar schon vor ca 3000 Jahren abgespielt. Wie aber aus ihm etwas geworden ist, daraus können wir noch heute lernen. Die Geschichte dieses Mannes ist ein exemplarischer Bildungsroman und Thomas Mann, der wohl größte deutschsprachige Romancier seit Goethe, hat auch tatsächlich aus dem Stoff einen großen Roman gestaltet: Joseph und seine Brüder.

Der Vater des Joseph, Jakob, hatte 12 Söhne und wohl auch noch Töchter von verschiedenen Frauen. Von seiner Lieblingsfrau Rahel stammten zwei Söhne ab. Der Älteste von diesen beiden – Joseph – war Jakobs erklärter Lieblingssohn. In diesen Sohn setzte Jakob seine höchsten Erwartungen, und er stattete ihn darum bestens aus. Er kleidete ihn so vortrefflich in einen prächtigen Mantel, dass Joseph wirklich etwas hermachte. Joseph wusste mit der Zeit, dass er etwas Besonderes war und das zeigte er auch.

Das allerdings machte die anderen Brüder eifersüchtig und neidisch zugleich. Joseph reizte sie geradezu bis aufs Blut. So wollten sie ihn schlussendlich ausschalten, am liebsten sogar ermorden. Sie warfen Joseph in einen ausgetrockneten Brunnen. Es war das 1. Mal, dass Joseph in ein Loch fiel oder vielmehr, dass er in ein solches gestopft wurde. Dem Vater wollten die Brüder Josephs schönen Mantel – blutbefleckt – bringen. Ein wildes Tier hätte Joseph… usw. usw.

Dieser Plan wurde dann auch so ausgeführt. Nur töten wollten sie Joseph denn doch nicht. Aber sie verkauften ihn als Sklaven nach Ägypten. So brachte er ihnen wenigstens noch ein wenig Geld.

In Ägypten machte Joseph nun wirklich und schnell Karriere. Er wurde eine Art Prokurist bei einem bedeutenden Mann. Er konnte auch wirklich etwas und er war zudem auch noch einigermaßen attraktiv. Das merkte auch die Frau seines Chefs Potiphar. Sie hätte gerne ein Verhältnis mit Joseph angefangen, aber dieser wollte nicht. Und wieder spielt sein Mantel eine Rolle. Die Frau hält diesen nämlich bei ihrem Griff nach Joseph fest und dreht die ganze Geschichte einfach um. Sie behauptet, dass Joseph hinter ihr her gewesen sei. Niemand glaubt natürlich dem fremden Joseph, und er landet schließlich im Gefängnis. Er ist zum 2.Mal ins Loch, in die Grube gefallen.

Aber auch im Gefängnis fällt er auf. Er weiß eben mehr als die anderen. So soll er schließlich sogar dem Pharao, dem Kaiser, dessen Träume deuten. Als er mit seiner Deutung richtig lag, hatte er es endgültig geschafft. Jetzt war er der gemachte Mann.

Mit diesem Happyend lassen wir die Geschichte enden, nicht ohne uns zu fragen, was wir von Joseph lernen können. Das ist eine spannende Frage, gerade wenn man am Tor zum richtigen Leben steht wie ihr bei eurer Konfirmation.

Eines scheint mir beim Joseph ganz wichtig zu sein: seine Karriere verläuft nicht gradlinig. Da gibt es so manchen Knick. Mindestens zwei Mal fällt Joseph in ein tiefes Loch. Aber ausgerechnet diese Einbrüche sind die Wendemarken seines Lebens. Wenn euch etwas Ähnliches passieren sollte, oder sogar schon passiert ist,- denkt an Joseph. Ein Ende muss nicht das Ende sein. Gerade das, was unser Leben verschattet, kann es auch reich machen. Wir lernen daran.

Ein zweites ist ebenso wichtig: mindestens zwei Mal wird dem Joseph sein Kleid, sein Mantel genommen. Was übrig bleibt, ist das, was in dem Mantel steckt: der Joseph. Nicht das Äußere ist also das Entscheidende. Nicht das, was vor Augen liegt, das, was man sehen und also auch machen kann. Der Kern ist wichtig.

In seinem Kern, in sich selber, hatte Joseph seinen wirklichen, wahren Schatz. Er hörte auf seine Träume. Er lernte, sie zu verstehen und lernte so, sich selber gut zu verstehen. Am Ende kannte er nicht nur sich selber gut, sondern auch die anderen. Manchmal verstand er sie besser als sie sich selbst verstanden. Das ist der eigentliche Grund für seine Karriere. Nicht die äußerlichen Konditionen sind wichtig. Sie können kommen und gehen. Aber was Joseph in sich selber war, das konnte ihm niemand, kein neidischer Bruder, keine verletzte Frau und kein rachsüchtiger Machthaber nehmen.

Ein jeder von Euch hat auch so einen Personkern. Jeder Mensch hat einen solchen. Lasst ihn wachsen!

Ihr habt euch selbst eure Konfirmationsverse ausgesucht. Warum habt ihr den gewählt, den ihr genommen habt? Vielleicht, weil er so schön kurz ist. Aber das ist nur äußerlich. Wenn ihr euren Vers meditiert, wie die Kuh Gras wiederkäut, werdet ihr merken, dass euer Konfirmationsvers ein Schlüssel zu eurem Kern sein kann. Wenn ihr seiner Weisung folgt, wird er euch einen wichtigen Teil eures Lebens erschließen. Er wird euch zeigen, was wirklich zählt.

Vergesst vor allem den Joseph nicht! Er ist ein gutes Beispiel dafür, wie man zu dem wird, der man ist. Das ist der größte Erfolg, den ein Mensch im Leben haben kann.

Dazu wünschen wir euch Gottes guten Segen.

AMEN

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