Sonntag, 5. April 2009

Endlich eingezogen... Jesu Einzug am Palmsonntag

Endlich eingezogen in die Welt - Jesu Einzug in Jerusalem - Joh.12, Lk. 22

Liebe Gemeinde,

in einer der ersten Glutpredigten haben wir über den Auszug der Israeliten aus Ägypten nachgedacht. Über den Exodus, den Moses angeführt hat.
Da geriet eine Menge in Bewegung. Es ging geradezu um Bewegung. Ein Weg musste überhaupt erst gefunden werden und es war ein Fluchtweg. Israel machte sich bedrängt und bedrückt auf den Weg.
Ganz entscheidend war der Aufbruch. Nur weg aus der Sklaverei! Aber wohin? Niemand wusste das genau. Jedenfalls führte der Weg nicht direkt ins Paradies, sondern in mancherlei Mühsal hinein. Aber er führte in die Freiheit. Gott war dabei, und er war in dem Weg – als Wolke oder als Feuersäule.

Auch am heutigen Palmsonntag geht es um einen Weg und um Bewegung. Aber es ist jetzt kein Auszug, keine Flucht mehr, sondern ein Einzug, ein Ankommen, auch wenn es gar nicht in 1. Linie um ein Ziel geht. Dieser Moment, das Jetzt ist wichtig. Es ist ein Gottesmoment. Gott ereignet sich in diesem Moment.

Wenn wir uns die Szenerie vorstellen,- was sehen wir?

Ohne Zweifel ist Jesus der Mittelpunkt. Er ist einfach, aber festlich, blendend weiß, leuchtend wie Licht gekleidet. Er reitet auf einem Esel und erscheint nicht wie ein Kriegsherr, vor dem man Angst haben müsste. Menschen sind um ihn herum, alle und alles: Männer, Frauen, Kinder – vor allem Kinder -, ein paar verlumpte Gestalten sieht man, Menschen mit schweren Behinderungen und Gesunde, Alte und Junge, ein paar Vornehme und vor allem viel, viel Volk.
Ein Weg wird zubereitet. Oder entsteht er im Gehen?
Jesus reitet wie auf Wolken. Er zeiht auf ausgebreiteten Kleidern einher wie auf einem Teppich.
Palmzweige – das sind Friedenssymbole – werden geschwenkt. Es wird gesungen und gerufen: Hosianna dem Sohn Davids, dem Gottessohn, der da kommt im Namen des Herrn. Es klingt, als käme Gott selber.

Auch noch andere stehen am Weg: Neugierige, die nur nichts verpassen wollen, Arme und Kranke, die etwas für sich ergattern wollen, Distanzierte, die eher angewidert aussehen, Sicherheitskräfte, die um die öffentliche Ordnung bangen, Priester und Obrigkeiten, die einen Aufruhr befürchten und die, weil sie ihn wittern, bereits beraten, wie man den Zug stoppen könnte.

Da ist aber nichts zu stoppen. Da ist pure Begeisterung. Ein Kairos ist da, eine Zeit ist reif, die Gelegenheit ist da. Alles und alle drängen in diesen Aufbruch hinein. Alle wollen sich in ihm ausdrücken. Und wenn nicht die Menschen so in Bewegung gerieten, dann würde es die stumme Natur vormachen. Selbst die Unbeweglichsten, die Steine, begönnen zu schreien.

Warum führt Jesus eine solche Bewegung an?

Möchte er wie ein Superstar einmal im Rampenlicht stehen? Ist er ein politischer Demonstrant, der der Macht das Fürchten lehren will? Ist er eine Art Friedens-Hippy, der eine Gala wie ein Happening inszeniert?

An allem könnte etwas dran sein, aber hier vollzieht sich noch weitaus mehr.

Hier ist Endzeit. Und das ist nicht mehr zu toppen. Hier ist Frieden und Macht und Power in eins gefallen. Hier hat sich altes Leid in Freude gewandelt. Hier sind alle Gegensätze – Klein und Groß, Arm und Reich, Kind und Greis, Mann und Frau, Hoch und Tief – eben keine Gegensätze mehr, Es ist der Moment, wo die Welt sich wandelt – und nur das zählt.

Es ist der Moment, auf den die Menschen gewartet haben, seit sie aus Ägypten ausgezogen sind. Jetzt ziehen sie ein. Lahme sind gehend geworden, Blinde sehend, Taube hörend, Aussätzige rein. Und es herrscht Frieden!

Jesus inszeniert nichts. Es ist so! Hosianna und Halleluja sind echt. Es kommt alles aus tiefstem Herzen – und die Menschen sind glücklich. Sie sind in Bewegung und Gott zieht mit.
Jesus ist da, Jesus ist mittendrin. Er ist der Friedenskönig. Er ist der Gesalbte. Sohn Davids.

Wir wissen aber, wie es weitergeht – anders als die Erstteilnehmer. Es gibt einen Verrat, eine Verleugnung, einen ganz kurzen Prozess, ein Todesurteil, einen grauenhaften Tod, eine schwarze, schmerzende Stille am Tage danach, und es gibt – Ostern, das Fest der Feste.

Alles, was bis zum Karfreitag oder Karsamstag geschieht, ist kein Gegensatz zum Palmsonntag. Das alles ist Endzeit. In dieser Gestalt und in keiner anderen soll der Frieden wirklich erscheinen. So soll er unter die Menschen kommen. Leid und Kreuz gehören dazu.
Der Palmsonntag ist nur der Auftakt. Es ist das Vorzeichen. Ostern leuchtet schon, aber es scheint nur hindurch.

Alles das ist im Kern , in nuce, das, was Christen glauben: So elementar in Bewegung und zugleich in Stille, so in Kraft und zugleich in Frieden, so unterschiedlich und differenziert und zugleich in Einheit, so soll und so kann der Mensch und seine Welt sein. Das ist das Ziel!

Und wir? Erleben wir auch so etwas? Oder ist in 2000 Jahren alles ganz anders geworden? Wo ist die Bewegung? Wo ist der Aufbruch? Wo ist der Funke, der die Glut zum Feuer entfacht?

Auf der Suche nach einer Antwort schauen wir noch einmal in unsere Geschichte und in die ganze Passionsgeschichte. Dort treten ja alle diese unterschiedlichsten Personen auf. Sie sind ein Panoptikum der menschlichen Gesellschaft. Es gibt Ängstliche und Gewalttätige, Verräter, Verleugner, Verbrecher, Notabeln, Könige und Priester, einfaches Volk, reine Masse, Trauernde und Schmähende. Wer von diesen bin ich?
Auch in der Einzugsgeschichte wird dieses ganze Panoptikum schon sichtbar. Da gibt es Berührte und Ungerührte, Beteiligte und bloße Zuschauer, Sympathisanten und Distanzierte, Freunde und Gegner. Betrachten wir die alle und das alles nun nur unsrerseits aus der Distanz oder identifizieren wir uns? Wer sind wir dann? Wer bin ich?

Natürlich sind wir Christen. Vielleicht sind wir etwas müde, aber Christen sind wir.. Wir gehören schon zum inneren Kreis. Wie aber geraten wir so in Bewegung wie in dem Urgeschehen gezeigt? Wie werden wir zur Bewegung? Erneut zu „Gefährten des neuen Weges“, wie die Apostelgeschichte die Christen nennt?

Solange uns das alles nur von außen angepredigt wird, ist es schlecht. Solange tut sich auch nichts wirklich. Höchstens ein schlechtes Gewissen oder Abneigung und Überforderung stellt sich ein. Jesus hat auch niemanden in seinen Zug hineingezwungen oder hineinmanipuliert.
Jede wirkliche Bewegung kommt von innen. Wenn wir selbst spüren, dass dieser Zug gut ist und auch gut tut, dass es schön ist, so zu gehen, sich zu bewegen, viel zu erfahren, in Kommunikation, Begegnung und Hilfeleistung zu geraten, was mir selber Freude macht,- wenn das geschieht, ist es gut. Jesus ruft uns in seinen Zug, solange wir „nur“ am Wege stehen, aber er tut es sehr indirekt und zurückhaltend. Was der Zug bietet, merken wir erst, wenn wir mitgehen. Wir merken es durch die Praxis und nicht durch graue Theorie.

Ein Weg wird erst Weg, wenn man ihn geht. Wir lernen auf ihm viel über die Menschen und über Gott und über uns. Wir kommen allem näher. Das ist schon das ganze Ziel.
Nie geht einer allein. Es geht immer eine ganze Gemeinde. Eine Gemeinde wird im Gehen.

Lasst uns also gehen! Jesus geht schon 2000 Jahre lang. 2000 Jahre Einzug!
Es wird Zeit, dass wir von reinen Zuschauern zu Bewegten werden, dass wir uns bewegen.

AMEN

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