Samstag, 11. April 2009

Ein neuer spiritueller Weg ... auf dem österlichen Weg nach Emmaus

Die Auferstehung ... in Emmaus Lukas 24
Eine andere Art eines "Osterspazierganges"

Liebe Gemeinde,

als vor einigen Jahren Papst Johannes Paul II. gewissermaßen in aller Öffentlichkeit starb, fand ich es verwunderlich, wie ungebrochen man von seinem Weiterleben nach dem Tode sprach. Es schien mir, als würde im Geschick des Papstes das ganze Drama von Leid, Tod, Auferweckung und Neuem Leben ansichtig gemacht. Es wurden immer nur wenige Worte gesprochen, aber sie saßen wie Hammerschläge. Die offizielle Todesnachricht lautete: „Heute Abend um 21.37 Uhr ist der Heilige Vater heimgekehrt ins Haus seines Vaters.“
Das erinnert fast an die Geschichte vom Verlorenen Sohn, der aus der Fremde und dem Elend heimkehrt zu seinem Vater.
In der Trauer-Predigt sagte Kardinal Ratzinger dann sinngemäß: „Vor 2 Wochen segnete der Hl. Vater ein letztes Mal urbi et orbi aus dem Fenster seines Palastes. Jetzt steht er am Fenster des himmlischen Palastes, im Hause seines himmlischen Vaters. Er sieht auf uns herab und segnet uns.“
Die Menschen, die das hörten, jubelten und klatschten. Dennoch ist das so gezeichnete Bild nicht ganz ungefährlich. Es sieht ja fast so aus, als stände Gott selber am Fenster und segnete.

Warum aber berührt und bewegt dieses Bild so viele Menschen?

Offensichtlich ist mit dem Tode dieses Papstes eine Epoche zu Ende gegangen. Jemand ist unwiederbringlich weggegangen. Die Zurückgebliebenen sind traurig und fragen sich, wie Nähe jetzt zu erfahren sein kann. Ist noch irgendetwas an Nähe überhaupt spürbar?

Der katholischen Kirche gelingt es, auch noch das Jenseitigste und das Heiligste zu symbolisieren und zu „materialisieren“. Es wird greifbar und fassbar und fühlbar. Das Jenseitige, Transzendente wird in die Welt geholt. Man kann es spüren und selbst Wind, Sonne und Schatten spielen in der Regie der päpstlichen Trauerfeier wie ein jenseitiges Eingreifen mit.

Die Gefahr besteht in solchen Fällen immer, dass man Irdisches vergötzt. Aber es liegt auch eine Chance in solcher Ungebrochenheit und Direktheit. Wir können spüren, was wir alle spüren wollen. Die Verbindung, der Kontakt zu GOTT, als der Kraftquell des Lebens, ist erfahrbar. Deshalb folgen Hunderttausende einem Papst. Hoffentlich werden sie nicht irre geleitet. Hoffentlich bleiben sie auf dem rechten Weg.

Die Frage, wie uns das Ferne und Jenseitige nahe kommen kann, wie wir es spüren können, wie es zur Kraft in unserem Leben wird, begegnet uns auch in dem österlichen Text der Geschichte aus Emmaus. Als diese Geschichte ins Lukasevangelium geschrieben wurde, war Jesus sicher schon 60 Jahre tot. Es war also die 2. u.3. Generation nach ihm, die sich fragte, wie man ihm jetzt nahe sein könnte. Die Menschen, die Jesus noch leiblich gekannt hatten, waren längst selbst tot. Jetzt aber fasste man die Lehre aus dem einstigen Geschehen in einer Geschichte zusammen. Es geht in ihr nicht darum, bloße Fakten zu berichten. Vielmehr wird eine Erlebensmöglichkeit aufgezeigt. So könnte es jetzt, heute, hier sein!

Wir sehen zwei Jünger wandernd auf einem Weg. Es sind zwei Menschen, zwei – keine Massen, aber auch kein Einzelgänger. Christentum vermittelt sich nur in der Gemeinschaft, im Gespräch miteinander. Das ist eine erste Beobachtung.

Dann ist diese Gemeinschaft auf dem Weg. Leben ist Gehen. Der gezeichnete Weg führt nicht nur von A nach B. Es ist der Lebensweg, wie wir alle ihn gehen. Was auf dem Weg geschieht, geschieht in den Grenzen von Raum und Zeit. Alles auf dem Lebensweg ist begrenzt durch den Tod und durch das Leid, das auf den Tod zuführt.

Mit solchen Gedanken werden die beiden Männer in Gesprächen beschäftigt sein. Und sie sind traurig. Sie reiben sich an der Grenze.

Nun aber tritt ein Unbekannter zu ihnen als wenn eine andere Dimension an sie heranträte. Der Unbekannte erklärt, dass dieses Leiden und der Tod Sinn machen. Es ist gar keine Grenze, vielmehr so etwas wie ein Durchgang. In sich scheint es sinnlos, aber es dient dem größeren Sinn des Lebens. Ins Leben will es verwandeln, dorthinein will es führen.
Jesus musste leiden. GOTT aber hat ihn auferweckt – heißt es im Text.

Ein Unbekannter oder ein Unerkannter zeigt unserem Leben, dem begrenzten, also erst einen wirklichen Sinn. Was wir hier konkret leben und erleben, erscheint plötzlich in einer neuen Dimension. Aber das merken wir nur, wenn wir tatsächlich auf dem Weg sind, wenn wir gehen, wenn wir lebendig unseren Lebensweg gehen. Man kann es nicht theoretisch erfassen. Man muss es erfahren, besser ergehen.

Was wir erfahren, ahnen wir mehr, als dass wir es wissen. Wir ahnen, dass unser Leben einmal vollendet sein soll. Wir ahnen, dass alles, was hier auf der Erde nur Sehnsucht war, nur Teil oder Fragment, einmal ganz sein soll. So geschieht es zunächst einmal, aber im Nachhinein – als sie schon wissen, dass es so ist – sagen die Männer: Brannte nicht unser Herz auf dem Weg? Haben wir es nicht geahnt, besser: intuitiv gewusst?

Das ist die Glut im Herzen! Ein Unbekannter, ein anderer Mensch und vielleicht manchmal auch ein Unbekanntes, ein Neues, ein Zentralerlebnis kann uns diese Glut erschließen. Wo 2 oder 3 in meinem Namen versammelt sind, da ist Jesus unter ihnen. Dann wird die Glut zum Feuer und die neue Sicht- u. Lebensweise tut sich auf. Zum Alltäglichen tritt die zugehörige spirituelle Dimension.


Nun gibt es aber nicht nur das Unterwegssein im Leben mit spiritueller Qualität. Am Wegesrand stehen auch Einkehrhäuser. Neben dem Alltag des Lebensweges - wie wir ihn alle Tage leben – gibt es auch das Haus des Sonntags. Besonders wenn es Abend wird, wenn es dunkel auf dem Lebensweg ist, können und wollen wir einkehren.

Auch die beiden Jünger tun das, und sie laden den Unerkannten ein, bei ihnen zu bleiben. Dann geschieht noch einmal genau das gleiche wie auf dem Weg. Wieder soll Bekanntes und Gewöhnliches einen anderen, tieferen Sinn bekommen. Man isst zu Abend. Das ist das Gewöhnliche und Bekannte. Als der Fremde nun aber das Brot bricht und es teilt, begreifen sie: hier ist mehr als nur ein Abendessen. Hier ist zugleich Gemeinschaft in dichtester Form, hier ist Einheit und Verbindung. Himmel und Erde verbinden sich. Alle und alles wird eins. Das Brot verweist.
Das ist der Herr – sagen sie.

Dazu also ist das Haus am Wege da. Man kann in ihm rituell und symbolisch, verdichtet feiern und erfahren, was einem auch im Leben begegnet. Alles bekommt einen anderen, einen tieferen Sinn. Der Ritus, das Symbol verweisen auf eine ganze Wirklichkeit.

Das Eigentliche und Entscheidende aber kommt erst jetzt. Nachdem der Fremde es ihnen auf dem Weg erklärt hat und nachdem sie es gemeinsam am Tisch erlebt haben, nachdem ihnen die Lehre erschlossen worden ist und die rituelle Feier des Erlebten vollzogen ist, ist der unerkannte Herr verschwunden. Vielleicht würden sie ihn ja gerade jetzt gerne festhalten. Sie würden ihn gerne verehren, immer noch mehr hören wollen und seine Worte und Handlungen tiefen. Aber als Gegenüber oder als ein Objekt ist der Herr nicht mehr nötig. Er ist vielmehr Subjekt in den Jüngern selbst geworden, ganz wie in Maria Magdalena am 1. Ostermorgen. Der Herr ist jetzt in ihnen, in ihrem Denken und Verstehen, in ihrem ganzen Erleben. Er ist einer von ihnen und sie sind ER.

Jesus festhalten zu wollen, ist gefährlich. Es macht abhängig, wie ein kleines Kind abhängig ist. Wer an etwas oder an jemandem klebt, wird nicht erwachsen.

Die Buddhisten sagen: „Triffst du Buddha unterwegs – d.h. triffst du den Lehrer, den Guru – dann töte ihn“. Damit vermeiden sie, abhängig zu bleiben. Sie tragen die Buddhaschaft wie jeder Mensch selber in sich.
Auch in unserer Geschichte verschwindet am Ende der Lehrer und Meister. Jetzt gilt es, selber ein Stück auf dem Weg voranzukommen. Die Männer wissen, dass Jesus lebt. Er ist auferstanden, wie sie das in ihrem Leben, in ihrer eigenen Auferstehung des neuen Verstehens der alten Tradition über Leid, Tod und Leben selbst erfahren haben. Sie können zu den anderen als Zeugen des Auferstandenen und der Auferstehung zurückkehren.

Auch wir sind Emmaus-Jünger. Auch wir suchen die Nähe zu Gott und zu Jesus. Zunächst suchen wir sie in der Begegnung mit dem, was uns von außen entgegenkommt. Das ganze Leben ist unser Material. Wir müssen es durchleben, bis es uns umgestaltet und zu veränderten Menschen macht. Jesus geht als Unerkannter an unserer Seite ein gehörig Stück mit.
Ebenfalls feiern wir das Mahl mit rein äußerlichem Brot und Wein, bis es in uns selbst zu neuem Brot und Wein wird. Bis wir selbst Nahrung und Freude, Nahrung und Feuer geworden sind.

Was nur äußerlich bleibt, gefährdet uns, weil es uns klein und abhängig macht. Wir werden uns schließlich selbst fremd und kommen nicht zu unseren erwachsenen Möglichkeiten. Es ist gefährlich ein Leben lang hinter heiligen Vätern wie hinter einem Guru herzulaufen. Wir sollen selbst väterlich und mütterlich werden. Wir haben nicht die Buddhaschaft, aber Christus in uns.
Die Emmaus-Geschichte zeigt uns ein spirituelles Programm: die Schriften und d.h. auch das alltägliche Leben verstehen und ihm den Sinn geben, das Mahl feiern als Verweis auf die ganze Wirklichkeit, selber Christus werden. Das sind die drei Schritte auf dem spirituellen Weg nach Emmaus
.

Das ist zugleich die elementarste Osterbotschaft: Christus ist auferstanden. Wir laufen hinter ihm her, weil wir selbst auferstanden leben. Christus ist nicht nur unter uns. Er ist in uns.

AMEN

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