Mittwoch, 18. März 2009

JESUS UND DIE KINDER

Die Kinder als Wegweiser zum Himmel Markus 10,15 u. Lukas 7,32

Liebe Gemeinde,

einmal habe ich in unserer Kirche, der Lutherkirche am Stadtpark in Bochum, ein kleines Mädchen – Jana – getauft. Sie war schon 15 Monate alt, konnte also bereits laufen, und sie wollte es auch. Sie wollte sich bewegen und lief in der Kirche hin und her.
Dabei entdeckte sie unseren gläsernen Altar in der Mitte und drückte sich ihr Näschen an den Scheiben platt – wie Kinder es gerne tun. Schließlich hat sie ausgerechnet an der Scheibe, auf der sich die Aufschrift „ hier ist ein Kind mit 5 Broten und 2 Fischen“ befindet, festgestellt, dass es Spalten zwischen den einzelnen Scheiben gibt und dass man hindurchgucken und sogar hindurchgreifen kann, dass man auf das Innenleben des Altars zupacken könnte, wenn die Ärmchen nur nicht noch zu kurz wären.

Jedes Kind ist neugierig und unternehmenslustig. Es ist geradezu begierig nach Entdeckungen. Es will Erfahrungen machen, Begreifen und erleben.

Wer unser Büchlein über die Lutherkirche gelesen hat, der weiß, dass ich die innerste Mitte unserer Kirche, - die Säule aus dem großen Leuchter und dem Altar - als Abbild von Himmel und Erde – also als Abbild des „Ganzen“ interpretiere und damit auch als Hinweis und Verweis auf Gott verstehe, der uns nährt an Leib und Seele. Und weil nun alles Sein und alles Geschehen auch ein Gleichnis ist, sagt mir das kleine und neugierige Mädchen Jana, woran wir uns annähern sollen, was wir ergreifen und berühren sollen. Noch niemand ist der Mitte unserer Kirche seit wir sie eingerichtet haben wohl so nahe gekommen, wie dieses kleine Mädchen.

Als ich die Bibelverse für den Altar aussuchte, habe ich besonders auf diesen einen, oft überlesenen Vers von dem Kind mit „den 5 Broten und 2 Fischen“ aus der Speisungsgeschichte der 5000 Wert gelegt. Das Kind ist die Quelle dieser Speisung. Mit dem Beitrag und der Gabe eines Kindes fängt alles überhaupt erst an.

Damit sind wir beim Thema: Jesus und die Kinder. Weil dieses nun eine Glutpredigt ist, stellt sich die Frage, welche Glut in den Kindern liegt. Was bringen uns die Kinder? Welche Hinweise geben sie für unser Erwachsenenleben?

Bevor wir nun zu „Jesus und die Kinder“ kommen, noch eine andere Geschichte. Vor kurzer Zeit ist ein Buch von Jirina Prekop – einer Kinder- und Jugendtherapeutin – und Gerald Hüther – einem Hirnforscher in Göttingen – erschienen. Es heißt: Auf Schatzsuche bei unseren Kindern. Die Grundthese des Buches ist folgende: Jeder Mensch ist schon von den ersten Wochen im Mutterleibe an so angelegt, dass er über sich hinauswachsen und über sich hinaussehen will. Er ist auf Beziehung angelegt und deshalb mit einer Fülle von Gaben ausgestattet, die das ermöglichen.
Das Kind will vertrauen und sich mit der Mutter auch schon ohne Worte verstehen z.B. Deshalb spiegeln beide. Jeder gibt wieder, was er beim anderen sieht. Jeder von uns kennt das: ein lachendes Kind lacht man unwillkürlich ebenfalls an.
Weiterhin: Das Kind will die Welt ohne Vorurteile entdecken. Auch Spinnen sind also schön.
Es will Dankbarkeit zeigen.
Es fragt energisch nach dem richtigen Weg – und das immer wieder, bis es zufriedengestellt ist und Grenzen der Beantwortbarkeit erfahren hat. Die berühmten Warum-Fragen.
Das Kind will ehrlich sein. „Sag Oma am Telefon, ich bin nicht da“, geht dann nur um den Preis einer Grunderschütterung.

Da steckt also ein großer Schatz in den Kindern. Es ist sehr viel Gold oder auch Glut in ihnen.
Nur – ganz anders als bei den Alchimisten im Mittelalter, die versuchten, aus Blei Gold zu machen und damit letztlich das Wesen des Menschen veredeln wollten – versuchen die Menschen heute aus dem Gold in den Kindern Blei zu machen. Und in der Regel kriegen sie das auch gut hin. Die jüngsten Amokfälle in Deutschland zeigen das drastisch und grauenvoll.
Eine solche Verwandlung von Seelengold in Blei fabrizieren die Eltern oder Lehrer oder wer auch immer nicht bösartig, sondern eher tragischerweise, weil aus ihnen selber so bleihaltige Menschen gemacht worden sind. Es gibt da geradezu bleihaltige Zusammenhänge über Generationen.

Das alles untersucht und beschreibt das Buch. Wie aus Gold Blei wird. Aber auch, wie man unter dem Blei das Gold noch ahnen, suchen und finden kann. Das Buch ist so etwas wie ein modernes Kinderevangelium, das wir ja bei jeder Taufe hören.

Es kommt mir nun vor, als hätte Jesus das alles ebenfalls schon über die Kinder gewusst, und als hätte er auch in diesem Wissen gehandelt. Nämlich: den Schatz im Menschen suchen und dort im Menschen die Glut finden. Dann diese Schätze zum Wachsen und zum Blühen zu bringen – das wollte er und das hat er getan.
Wir sollten nicht missverstehen: Jesus idealisiert das Kind oder das Kindsein nicht. Kindsein per se ist noch nicht viel. Gerade auch im Kind kann schon soviel Blei vorhanden sein, dass es auch in frühester Zeit schon verlernt hat, zu tanzen. Einmal sagt Jesus deshalb zu grauen Menschen: „Ihr seid wie die Kinder, denen man aufspielte, aber sie wollten nicht tanzen.“ Da ist schon alles schwer – wie Blei eben – geworden. Wenn man dem aber auf den Grund geht, dann ist es bei den Kindern so eben nicht normal.

Einmal wollten Mütter mit ihren Kindern zu Jesus. Die bleischweren Jünger aber wollten vorsorglich trennen. Hier Kinder und da Erwachsene, als hätten beide nichts miteinander zu tun, als könnten sie nichts miteinander anfangen. Als Jesus das merkte, wurde er böse. Nicht oft wird gerade das von Jesus gesagt. Aber hier – wohl weil es um das Elementarste geht – nun doch. „Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder, so kommt ihr nicht ins Reich Gottes“ – sagt er. Das heißt doch, dass die Kinder schon im Reich Gottes sind. Sie sind geradezu das Reich Gottes, weil sie das Gold wie einen Schatz im Acker in sich haben, wenn man es nur sein und wirken ließe.

Das oben erwähnte Buch ist voller Beispiele dafür. Hier nur eines: Eine Mutter ist mit ihrem kleinen Kind im Kurheim. Es ist offensichtlich ein christliches Haus, denn man isst nicht einfach so drauflos. Der Heimleiter hält – vielleicht doch etwas verschämt – einen Moment Stille und sagt dann: Ich bin dankbar, dass die Sonne heute so schön scheint, und ich freue mich auf unseren Ausflug heute Nachmittag. Amen. Das Kind findet diesen Ritus so interessant, dass es ihn am nächsten Tag selber sprechen will. Der Mutter ist das hochnotpeinlich – und es wird noch peinlicher als das Kind vor allen Leuten sagt: das musst du auch mal machen. Morgen bist du dran! Hier hat das Kind die Mutter beten gelehrt und nicht umgekehrt. Und es hat sie dankbar sein und Freude empfinden und ausdrücken gelehrt.
Wo ist hier der Schatz, das Gold? Und wo ist das Blei ?

Stellen wir uns das vor: wir – 20 oder 30 Haushalte, die wir hier versammelt sind, täten das einmal oder doch manchmal am Tage: innehalten und etwas aussprechen, wofür ich dankbar bin und worauf ich mich freue. Das allein schon würde uns, unsere Gemeinde und - über den Zusammenhang von allem mit allem - unsere Welt verändern. Mehr Gold würde sichtbar. Mehr Glut würde mehr Wärme verbreiten. Weniger Blei würde das Leben schwer und giftig machen.
Unendlich viel Gold ist in uns verborgen, versteckt, klein gemacht worden, belächelt, ausgetrieben, verhindert, verbogen worden. Aber es kann auch neu anfangen zu glänzen.

AMEN

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